Volksbegehren Artenvielfalt

Wir sind das Volk! Es war fast wie ein Krimi, zuzusehen, wie der Kampf der Naturschützer gegen die dramatisch zunehmenden Monokulturen und deren Verteidigung durch Großbetriebe und den Bauernverband gewonnen wurde. Jahrelang schon waren die Fronten verhärtet, aber die bayerische Landesregierung blieb trotz der immer kritischeren Haltung der Bürger mutlos. Denn die Bauern sind eine wichtige Wählergruppe.

Doch zum Glück hat die bayerische Verfassung für solche Konstellationen vorgesorgt. Paragraf 74 der Bayerischen Verfassung lässt Gesetzbildung auch aus dem Volk heraus zu und legt den Entscheid darüber in drei Stufen fest: Gesetzesinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid.

Gesetzesinitiative – umfassend mit vielen Details

Es geht also zunächst um die Formulierung eines vollständigen Gesetzes, nicht nur einer Fragestellung. Gerade für so komplexe Probleme wie den Artenschutz ist dazu viel Fach- und Sachverstand nötig. Unter Mitarbeit der Naturschutzverbände und der Wissenschaft gelang das so gut, dass später dafür selbst der Bauernverband Respekt zollte. Für die Zulassung der Gesetzesinitiative in Bayern sind 25.000 durch die Initiatoren gesammelten Unterschriften notwendig. Im Falle der Initiative „Artenvielfalt“ wurden es am Ende 99.000 – ein erster Hinweis auf die große öffentliche Unterstützung. Nach Abgleich mit den Melderegistern wurde der Entwurf zur amtlich unterstützten Abstimmung als „Volksbegehren“ zugelassen, wie etwas altmodisch die bayerische Verfassung formuliert.

Volksbegehren – die große Hürde wird genommen

Nun müssen 10 Prozent der Wähler – in Bayern sind das eine Million Menschen – diese Initiative unterstützen und in nur zwei Wochen in ihrem Rathaus erscheinen und unterschreiben. Begleitende Informationsveranstaltungen, Plakatwerbung und Flyer sowie die überall präsente Erinnerung an die Bienen sicherten Motivation und Information. Trotz heftiger Gegenargumentation des Bauernverbandes schaffte das Volksbegehren eine Zustimmungsquote von 18,4 Prozent! Das war neuer Rekord in Bayern – und der Jubel der Initiatoren und der vielen Unterstützer war entsprechend groß. Es lag nun am Landtag, diesem Entwurf unverändert zuzustimmen oder einen Gegenentwurf zu präsentieren und dann beide den Wählern zur Entscheidung vorzulegen. Nur diese beiden Möglichkeiten sieht das Gesetz vor und verhindert so Aufweichungen und Kompromisse.

Meinungsbildung am Runden Tisch

Zur Versachlichung der vergifteten Atmosphäre zwischen den Unterstützern des Volksentscheids und dessen Gegnern berief Ministerpräsident Söder einen Runden Tisch ein. Teilnehmen sollten alle Verbandsgruppen unter Moderation des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück. Ihm gelang es, eine konstruktive Atmosphäre des Dialogs zu schaffen. Selbst der zunächst sehr polemische Bauernverband – als Körperschaft des öffentlichen Rechts die offizielle Vertretung der Bauern – arbeitete konstruktiv an Fragen der praktischen Umsetzung mit. Bald zeichnete sich ab, dass dazu einige Ergänzungen sinnvoll wären, aber ein Gegenentwurf kaum Chancen hätte.

Ein Volksentscheid wurde vermieden

Im Ergebnis des runden Tisches schlug Ministerpräsident Söder dem Landtag vor, das Volksbegehren anzunehmen. Dieses aber zu ergänzen um Entschädigungen, Bildungsmaßnahmen und Maßnahmen im städtischen Raum. Das besänftigte die Kritiker, ein Volksentscheid wurde vermieden und das Volk hatte dem wichtigsten Auftrag der bayerischen Verfassung Nachdruck verliehen: Den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für kommende Generationen gemäß dessen Artikel 141.

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