Unsere Zivilisation wird wahrscheinlich nicht durch Krieg oder Seuchen zugrunde gehen, sondern durch die Gier weniger Profiteure.
Die Wüsten wachsen. Das Abschmelzen der Polkappen wird Küstenregionen überschwemmen und Methan freisetzen. In absehbarer Zeit dürften große Teile der Erdoberfläche für Menschen unbewohnbar werden. Unsere Zivilisation entstand auf der Basis eines gemäßigten Klimas — und sie könnte mit diesem sterben. Man hätte schon vor Jahrzehnten beginnen müssen, gegenzusteuern, vor allem durch den Verzicht auf fossile Brennstoffe. Dem stand aber die Profitgier von Energiekonzernen entgegen. Die Menschen wagten und wagen nicht, gegen den Wahnsinn aufzubegehren — nicht einmal im Angesicht ihres eigenen nahenden Todes …
Bio-Terror durch den Einsatz biologischer Waffen und Atom-Terror — um diese beiden Schlagworte rankte sich bisher die Angst vor dem Untergang der Menschheit. Wobei keine der beiden Gefahren die Menschheit ganz ausrotten könnte, vermutlich aber große Teile unserer Zivilisation.
Nun aber scheinen diese Gefahren durch eine andere abgelöst zu werden: die Gier. Wer sich im aktuellen Klimahype die Mühe macht, die wissenschaftlichen Aussagen zu den Gefahren durch die bereits ausgelösten Veränderungsprozesse — allem voran die Eisschmelzen und das Auftauen des sibirischen Permafrostes — nachzuprüfen, der wird nachdenklich.
Unsere Zivilisation ist durch das gemäßigte Klima der letzten Jahrtausende groß geworden, jetzt auf 7 Milliarden Menschen gewachsen. Das setzt Stabilität in den bewohnten Bereichen des Globus voraus, für Wasser, Ernährung und Umgebungstemperatur. Die Temperatur aber steigt nun, mit nur schwer diagnostizierbaren Folgen.
Eine Folge ist zum Beispiel der Rückgang der Arbeitsleistung in Indien durch die rasch verringerten Arbeitsmöglichkeiten im Freien für Millionen Menschen gerade in den armen Gegenden der Welt massiv einbrechen, wie eine McKinsey-Studie schätzt. Die Welt, Fokus Money und andere berichteten, aber der erschreckte Aufschrei blieb aus.
Noch schlimmer sieht es bei der Eisschmelze aus. Wie wir alle wissen, reagiert Eis auf einen Temperaturanstieg von einem Grad in der Nähe des Gefrierpunkts sehr empfindlich. Es taut. Dadurch verschiebt sich unter anderem die bisherige Grenze des Dauerfrosts der sibirischen Böden nach Norden. In den aufgetauten Mooren lagert Methan, das ein wesentlich stärkeres Klimagas ist als CO₂. Dadurch verstärkt sich der Schmelzvorgang von selbst.
Das Gleiche gilt für große Eisbereiche der Pole und Grönlands. Auch sie schmelzen, sogar noch beschleunigt durch das in Sibirien frei werdende Methan. Dass dies zu einem Anstieg des Meereswasserspiegels führen muss, ist offensichtlich. Allerdings gehen Schmelzvorgänge langsam. Sie werden sich über Jahrhunderte hinziehen. Doch die Auswirkungen sind verheerend: Nach aktuellen Prognosen könnte der Meeresspiegel um bis 50 m ansteigen. Das geht zwar langsam, aber langfristig werden alle heutigen Küstenstädte und weite Landstriche überflutet werden.
Noch kritischer scheint die Zunahme der Wüstengürtel. Bei einem Anstieg von 3 bis 4 °C — also dem Erwärmungskurs, auf dem wir derzeit sind — gehen die Berechnungsmodelle davon aus, dass der Globus maximal eine Milliarde Menschen (!) beherbergen kann. Zu große Flächen wären dann durch Hitze, Wüstenbildung oder ständige Extremwetter nicht mehr bewohnbar oder setzten extreme Schutzmaßnahmen voraus. De facto würden solche Umbrüche, ein so veränderter Globus, das Ende unserer Zivilisation bedeuten. Denn es ist kaum anzunehmen, dass unsere westliche Zivilisation den enormen Druck solcher Veränderungen übersteht.
Die Gier der Konzerne
Zwar wurden die zeitlichen Abläufe und Veränderungen erst im letzten Jahrzehnt so klar, aber bekannt sind diese Risiken schon lange. Da stellt sich die Frage: Warum wurde dann nicht schon früher gegen die fossilen Energien vorgegangen. Der Grund ist die Gier — und das ist der Grund meiner Sorge. Sie könnte der Grund sein, warum wir das 2 °C-Ziel nicht werden halten können. Denn normal ist in einer Zivilisation, dass sie alles gegen mögliche Risiken unternimmt. Das hätte bedeutet, schon vor dreißig Jahren zu beginnen, aus fossilen Energien auszusteigen. Aber es geschah nicht.
Es war die Gier der Erdölindustrie, die das verhinderte. Denn sie begann, bei der Tabakindustrie die Methoden abzugucken, mit denen staatliche Gegenmaßnahmen und Verbote unterlaufen werden können — unterlaufen durch die Erzeugung von Zweifeln an den wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Das hatte bei der Tabakindustrie gut funktioniert, Gesundheitswarnungen, Werbeverbote, ja Rauchverbote traten Jahrzehnte später in Kraft als wissenschaftlich angeraten. Hunderttausende von Lungentumoren und Herz-Kreislaufleiden mit Todesfolge waren die Folge dieses späten Handelns. Aber die Zeit reichte für die Konzerne, um ihr Geschäftsmodell umzustellen auf andere Produkte — Süßwaren beispielsweise — und so den Marktwert der Aktiengesellschaften zu erhalten.
Die Gier der Politik
Die gleichen Methoden hat dann die Industrie der fossilen Energien angewendet. Mit Beginn des Jahres 1986 wurden die wissenschaftlichen Warnungen mit den Methoden des Zweifelerzeugens infrage gestellt, ja als lächerlicher Hype abgetan. 1997 erschien in den USA unter dem Titel „Die Klimaleugner“, das erste Buch, das diese Methoden kritisch hinterleuchtete, mit guter Auflage und in viele Sprachen übersetzt.
Aber Politiker lesen nicht, sie sind der Wirtschaft hörig. Gegen deren Konzerne und deren PR-Maschinerie zu Felde zu ziehen, kann schließlich auch Karrieren zerstören, wie die Wahlniederlage des US-Präsidentenanwärters Al Gore beweist.
Denn er hatte diese Organisationen als kriminell bezeichnet — und verlor daraufhin die Wahl gegen G. W. Bush, dem ölfreundlicheren Präsidenten. Zudem wurden Journalisten und NGOs mit Gerichtsverfahren bedroht, wenn sie weiterhin den Klimawandel als definitiv und „bewiesen“ darstellen würden. Als Vorstand der Umwelt-Akademie in München wurde mir das sogar noch vor einigen Jahren angedroht.
Aktiv ist die Szene der Klimaleugner nach wie vor, die bezahlten und die unbezahlten, die Unbelehrbaren. In den letzten 30 Jahren ist es deshalb nicht gelungen, diese Brut verantwortungsloser Gier auszurotten. Es ist das größte Wirtschaftsverbrechen der Menschheit und hat uns nun die Generation genommen, deren Transformationskraft entscheidend für eine Kontrolle des Klimawandels gewesen wäre.
Auch staatliche Gier
Das wird in den an Erdöl reichen Ländern verstärkt durch deren fehlenden Willen zu verringerter Förderung. Ob Saudi-Arabien oder die übrigen arabischen Staaten, Russland, Venezuela, Nigeria oder auch die Kohle in Australien, sie alle denken nicht im Entferntesten daran, ihre Förderung zu drosseln. Helfen könnte allein die Entwertung dieser Energieform durch andere Mobilität, eine reaktive Automobilindustrie und natürlich die konsequente Ausrottung der Kohlegewinnung. Aber dem Wandel stehen Staatshaushalte und reiche Dynastien, die auf die Einnahmen aus diesen Förderungen nicht verzichten wollen, konsequent entgegen. Staatliche und private Maßlosigkeit vermischen sich als die großen Verhinderer.
Die Gier in uns
Ein besonders typisches Beispiel war gerade der Siemens-Auftrag für die Eisenbahn-Signaltechnik zur Erschließung eines riesigen australischen Kohlevorkommens. Der große Protest dazu war für uns vor allem in Deutschland hörbar, verstärkt durch den verunglückten Versuch eines Dialogs zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser und der deutschen Vertreterin von Fridays for Future Luisa Neubauer.
Aber Kaeser war nicht der eigentliche Vertreter dieser Gier. Er hatte nur nicht genügend Sensibilität in seiner weltweiten Führungsmannschaft erzeugt. Der eigentlich Gierige war der Verantwortliche in Australien. Denn für ihn bedeuteten 18 Millionen Dollar einen großen Auftrag. Ich kenne das aus meiner Zeit in der Industrie nur zu gut: Budgets sind zu erfüllen, Boni winken, die Karriere soll gefestigt werden. All das hängt an Aufträgen dieser Größe und oft an der Summe von noch viel kleineren. Der lokale Vertrieb konnte nicht widerstehen, obwohl er die große Unruhe in der Zivilgesellschaft über dieses Riesenprojekt sicher gekannt hat. Und wahrscheinlich hat man auch gewusst, dass Hitachi und Alstom diesen Auftrag abgelehnt hatten.
Der Auftraggeber, der Adani-Konzern, muss die Risiken der Auftragserfüllung gefühlt haben. Denn völlig unüblich in der Geschäftswelt steht eine Haftungspflicht unbegrenzter Höhe für den Fall an, dass Siemens den Auftrag nicht ausführt! Welch eine Gier des örtlichen Vertriebsmannes, im Angesicht brennender Wälder und großer Umweltproteste nicht nur einen Auftrag abzuschließen, sondern seine Nichterfüllung mit der Vernichtung von Siemens zu belasten.
Lebensraum nur noch für 1 Milliarde?
Dank all dieser Gier, beim Status quo zu bleiben und dem Rausch fossiler Energien weiter zu frönen, wird es immer unwahrscheinlicher, dass das maximal tolerierbare 2 °C-Ziel gehalten wird. Überschreiten wir es, dann werden Dominoeffekte kontinuierlich fortschreitender Erwärmung ausgelöst, die unseren Lebensraum auf ein Minimum schrumpfen lassen, noch ausreichend für vielleicht 1 Milliarde Menschen in der Nähe der Pole. Größere Ausrottung könnte auch ein Atomkrieg oder der Bio-Terror nicht schaffen. Nach den riesigen Buschbränden Australiens geht nun ein Video eines australischen Meteorologen um die Welt, der diese riesigen Brände vorhergesagt hat als Anfang einer dramatischen Verengung unseres Lebensraums. Es sind die sich oberhalb 2 °C Erwärmung selbst verstärkenden Instabilitäten, die Urwälder, Meeresströmungen und Wetterabläufe katastrophal verändern und die Bewohnbarkeit des Globus auf einen Bruchteil der heutigen Flächen reduzieren werden.