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Der „Schlechtmensch“ – Wurzel des Klimawandels

Wir kennen ihn alle, den Gutmenschen, der nur an das „Gute“ im Menschen glaubt, deshalb immer optimistisch ist – und dennoch der Realität nicht entspricht. Denn diese Realität zeigt, dass in uns auch viel “ Schlechtmensch“ steckt, mit viel Egoismus, Problemverdrängung und Gier. Und genau das ist die Ursache, warum es zum Klimawandel kam. Denn als in den 1980er Jahren darüber wissenschaftlicher Konsens entstand, hätte er sich wohl noch verhindern lassen – und auch die politische Bereitschaft war kurze Zeit da. (1)

Lobby-Ziel: Zweifel säen

Aber diese beginnende Bereitschaft erschreckte naturgemäß die amerikanische Erdölindustrie. Es hätte ein Ende dieser so angenehmen und auch Reichtum schaffenden Energieformen bedeutet. Die Verschrottung der vielen Förderanlagen, Raffinerien und Verteilernetze hätte riesige Vermögensverluste bedeutet und zeitgleich wäre der Aufbau einer neuen, emissionsfreien Energiewirtschaft zu stemmen gewesen. Es verwundert nicht, dass im Anblick eines solchen Szenarios die Versuchung groß war, das bisher so ertragreiche Geschäftsmodell trotz seiner enormen Risiken zu erhalten und dass die Ölkonzerne sich zu konsequent behindernder Lobbyarbeit entschlossen.

Die Tabakindustrie hatte es erfolgreich vorgemacht und jahrzehntelang Warnungen und Verbote verhindert- als ihre Gesundheitsrisiken in die Schlagzeilen kamen. Und so holte sich die amerikanische Erdölindustrie deren krisenerprobte Experten. Die wussten, wie man Wissenschaftler kauft, Politikern Angst macht und die Öffentlichkeit verunsichert. Zweifel an den wissenschaftlichen Ergebnissen zu säen, wurde die bewährte Methode, um politisches Handeln zu blockieren. Beschrieben wurde dies in vielen Büchern und auch Wissenschafts-Magazinen, aber die publikumsstarken Medien zögern noch heute, dieses wohl größte Verbrechen der Wirtschaftsgeschichte bewusst zu machen. Zu hoch ist die Abhängigkeit von den Werbeeinnahmen dieser Industrien – und reichlich wurde auch mit Gerichtsverfahren gedroht, wenn Journalisten den Klimawandel als „Fakt“ und als bewiesen bezeichneten. Ohne Zuarbeit der Medien aber ist energisches politisches Handeln nicht möglich.

Heute nun laufen gegen die großen Ölkonzerne zahlreiche Gerichtsverfahren von NGOs und über Personen und in den USA auch von Großstädten und Bundesstaaten mit dem Ziel, haftbar zu machen für die Folgen dieser Fehlinformations-Kampagnen. Die Berichte darüber sind. Man muss schon den Newsletter von #Exxonknew bestellen, wenn man informiert sein will.

Es ist nur ein Beispiel, wie zögernd die nichtwissenschaftliche Presse Allgemeinwissen zum Klimawandel und zum Gefahrenbewusstsein erzeugt. Berichte über den Klimawandel sind keine Kassenschlager. Normalerweise sind „bad news“ beliebt, aber zur kurzfristigen Skandalreportage taugt das Thema nicht, zu komplex sind die Zusammenhänge und die Veränderungen sind langsam. Die Angst vor einer Covid-19-Infektion hat ein viel unmittelbareres Gefahrenbild – mit der Folge einer unglaublichen Schwemme von Informationsangebot – für jeden heute allgegenwärtig und der Konsequenz mutigen politischen Handelns – wobei hier nicht diskutiert werden soll, ob die richtige Mischung der Maßnahmen entschieden wurde. Jedenfalls wurde unter der Covid-Angst energisch gehandelt und der Aufschrei der Wirtschaft negiert.

Schleichend schmelzen die Eismassen

Erschreckend leicht verdrängt sich im Vergleich eine schleichende, nicht ständig sichtbare Gefahr, noch dazu, wenn deren Sichtbarkeit statistisch schwankt. Wirbelstürme und Überschwemmungen gab es immer, dass ihre Zahl und Kraft aber rasant zunehmen, kann persönliche Aufmerksamkeit kaum verfolgen. Und ein dauerndes erinnert werden gibt es nicht. Aber das wäre erforderlich, wenn auch für den Kampf gegen den Klimawandel ein zu dieser Pandemie analoger politischer Druck entstehen soll.

Der wäre überfällig. Denn längst sind klimatische Gleichgewichte gekippt und gefährliche, sich selbst beschleunigende Veränderungen eingetreten. Die jetzige „Warmzeit“ bietet seit gut 10.000 Jahren Klimaabläufe, die für das menschliche Leben ideal sind. Es bietet für unsere Zivilisation gut erträgliche Temperaturen, ausreichend Niederschläge und großflächige „gemäßigte“ Klimazonen. Nur an den Polen und in den kalten Regionen Sibiriens blieben dicke Eiskappen und tief reichender Permafrost zurück. Nun aber haben beide durch die Klimaerwärmung zu tauen begonnen, mit verheerender Wirkung.

Denn aus den auftauenden Sumpfböden entweicht in riesigen Mengen Methan und die sich an den schmelzenden Polkappen rasant vergrößernde Wasseroberflächen absorbieren die vorher vom weißen Eis zurück reflektierte Lichtmenge. Die Erdtemperatur steigt schleichend, jetzt aber unaufhaltsam. Man prognostiziert, dass diese beiden Effekte allein genügen, um im Laufe von einigen Jahrhunderten ein Klima zu schaffen, das nur noch für eine Milliarde Menschen Lebensraum lässt. Denn der gesamte äquatoriale Raum wird dann unbewohnbar, wird zu heiß sein, unsere gemäßigten Zonen teils kaum bewohnbare Wüste.

Täglich bewusst machen

Man mag an den menschlichen Erfindungsgeist und neue Technologien glauben – sicherer aber wäre, die klimaschädlichen Emissionen endlich radikal einzustellen. Dieser riesige Schritt würde allerdings ein anderes Problembewusstsein der Öffentlichkeit erfordern. Zu erreichen ist das wohl nur durch laufende Information, immer wieder auffrischende Gefahrenbeschreibung und eine nicht nur an Umsatz, sondern auch am Bewusstmachen der Gefahren interessierten Medien.

Das ist das Ziel der Kampagne „Klima vor 8“. Es fordert tägliche Berichterstattung, beispielsweise durch den Ersatz der täglichen 5-Minuten-Sendung der ARD „Börse vor 8“. Also das Bewusstsein prägende tägliche Information mit der Warnung, dass unser zivilisatorisches Modell entgleist und seine zerstörerische Kraft zur Verantwortungslosigkeit entglitten ist. 3 Ein entsprechender Brief ging heute an den Vorsitzenden der ARD, Herrn von Buhrow.

Es wäre ein Weg, unser bei schleichenden Veränderungen geringes Gefahrenbewusstsein etwas zu kompensieren. Es wäre zugleich generell ein Beispiel für die gesamte Medienwelt, jeweils das Ihre zu tun, um unsere charakterlichen Schwächen des Verdrängens auszugleichen. Für die eingangs erwähnte „Gier“ der Wirtschaft ist der Freiraum durch die bereits entstandene Besorgnis der Öffentlichkeit (2) eh schon reduziert – heute will fast jedes Unternehmen „grün“ sein. Ein verstärktes Bewusstsein der Öffentlichkeit würde diesen Trend noch verstärken und verhindern, dass durch die Wirtschaftsverbände dennoch massiv Lobbyarbeit gegen das Klima schützende Veränderungen gemacht wird.

Die Idee, schleichende Veränderungen durch Zeitraffer plastisch zu machen, ist dabei ein Schlüssel entsprechender Spots. Viele Ausstellungen haben das schon genutzt. Die NASA hält dazu ein beeindruckendes Beispiel bereit (3). Nicht sichtbar wird dabei allerdings die dramatische Zunahme von Extremwetter, die eine zwangsläufige Folge der sich verändernden Temperaturunterschiede der Erde ist. Aber dazu gibt die Webseite von „Klima vor acht“ erschreckende Bilder. Erst wenn der Schreck vor diesen Veränderungen ähnlich wie der Schock der laufenden Pandemie die öffentliche Meinung bestimmt, wird sich die Politik gegen die Lobbykraft der Wirtschaft auflehnen und den Mut haben, energisch zu handeln.

Peter Grassmann

(1) Morgen vielleicht, Die Zeit, 3. Juni 2015: https://www.zeit.de/2015/23/klimawandel-diskussion-co2- emissionen/komplettansicht Ein Auszug in Peter H. Grassmann, Zähmt die Wirtschaft, Westend Verlag 2019, S. 28 und 29

(2) https://klimavoracht.de/

(3) https://www.derbrutkasten.com/klima-im-zeitraffer-nasa-zeigt-erderwaermung-per-climate-time-machine/3/

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