Peter H. Grassmann

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Zukunft schaffen oder zerstören?

Bei Fragen der Zukunftsfähigkeit, der »Nachhaltigkeit« hat unser jetziges Gesellschaftssystem bisher versagt. Dieses Versagen dürfte uns spätestens jetzt bewusst geworden sein, denn dieser „Jahrhundert-Sommer“ wird auch die letzten Zweifler überzeugt haben, dass der Klimawandel bereits uns betrifft und nicht erst die nächsten Generationen. Die heutigen Katastrophen lassen zugleich ahnen, dass dies erst ein Anfang ist. Denn alle aktuellen Prognosen zur Wirkung der laufenden Maßnahmen gegen den Klimawandel sprechen für einen Anstieg auf 3° Celcius und mehr und eine exponentielle Zunahme der heuer aufgetretenen Extrema, Hochwasser, Waldbrände und Hitzewellen. All dies begleitet von einer raschen Zunahme des Auftauens des Polareises und des sibirischen Permafrosts und eine Abnahme des für unser Wetter verantwortlichen Golfstroms. Die ersten Kippvorgänge hin zu einem wesentlich instabileren Klima sind also ausgelöst und beschleunigen sich, mit nicht vorhersehbaren Folgen. All dies hat der Weltklimarat in seinem letzten Bericht wieder deutlich unterstrichen – aber der große Druck blieb (wieder) aus.

Ändern wird sich das nur, wenn jeder einzelne – und da vor allem die Verantwortlichen der Marktwirtschaft – sich selbst disziplinieren oder auch gezwungen werden, ihr Handeln strikt nach den Regeln strenger Nachhaltigkeit auszurichten. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass politische Vorgaben nicht genügen. Nur ein anderes Verantwortungsniveau unserer Gemeinschaft – ein Erhaltungstrieb unserer Zivilisation von innen heraus kann nun noch Hoffnung geben.

Nachhaltig heißt das gesunde Zusammenspiel – das Beispiel Wald

Der Begriff Nachhaltigkeit erschließt sich noch besser, wenn man seinen Ursprung aus der Forstwirtschaft bedenkt, wird er doch seit Jahrhunderten von Förstern und Waldpflegern benutzt. Etwas auf Dauer erhalten bedeutet, einen gesunden Wald und eine gesunde Gemeinschaft anzustreben. Ein Wohlfühlen der Bäume in einer gesunden Umgebung im funktionierenden Zusammenspiel mit Boden, Flora, Klima und allem, was zu guten Lebensbedingungen beiträgt. Die Voraussetzungen zu schaffen für einen dauerhaften Bestand der (Wald)Gemeinschaft.

Unser Wirtschaftssystem funktioniert ähnlich wie ein Wald

Wir leben in diesem Wald und wir leben von ihm. Die Bäume, also die Unternehmen, wachsen oder gehen wieder ein, ein ständiger Wechsel. Wir leben von den Früchten und Blättern dieser Bäume in diesem Wald umso leichter, je besser wir mit seinem dauernden Wandel umgehen können. Und dieser Wald bleibt uns nur erhalten, wenn wir mit ihm sorgsam – eben nachhaltig – umgehen. Verzehren wir alle Blätter wie die Heuschrecken, entsteht ein dürrer und kahler Fleck. Wir berauben uns unserer Lebensgrundlage. Aber auch die Bäume dürfen nicht »in den Himmel wachsen«. Die Gefahr der Monokultur oder gar der Zerstörung bedingt ein vorsichtiges Eingreifen des Försters. Die Erhaltung des Gleichgewichts erfordert Umsicht. Der Wald insgesamt muss frei und ungehindert wachsen und sich entfalten können, damit die einzelnen Bäume in ihm ihren Lebenszyklus durchlaufen können, bevor sie je nach Kraft und Alter absterben und fallen. Und jeder Verfall muss neuen Humus als lebenspendende Bodenschicht schaffen und damit zugleich die Basis für einen neuen Fruchtbarkeitszyklus sein. Damit wir diesen ständigen Wandel der uns ernährenden Bäume beherrschen, ist es so wichtig, dass immer wieder neue Bäume für die abgestorbenen nachwachsen.

Unsere Generation ist rücksichtslos

Zu viele Menschen sind derzeit noch im zeitgeistigen Egoismus mangelnder Anpassungsfähigkeit verfangen, in der rücksichtslosen Haltung unserer Generation. Weder eine verbesserte Unternehmensethik noch eine tiefer greifende Demokratie werden für sich allein für eine neue Zeit ausreichen. Es muss ergänzt werden durch eine persönliche Grundhaltung, durch ein inneres Bekenntnis zum Leben in der Gemeinschaft, zu einem Leben mit Verantwortung auch für die Nächsten – für die mit uns und für die nach uns. Ein Lebensstil, der eine positive Grundhaltung zur Gemeinschaft ausdrückt, wird damit zum Träger des Fundaments, auf dem wir aufbauen können. Er bildet sich aus dieser Verbindung von bürgernaher Demokratie, hochstehender, branchenkontrollierter Unternehmensethik und einer persönlichen Grundhaltung, die zur Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft heute und morgen steht, ohne dabei sauertöpfisch auf alle sich bietenden Freuden unseres Jahrhunderts zu verzichten. Es geht nicht darum, möglichst entbehrungsreich und asketisch zu leben, sondern um eine verantwortungsvolle Nutzung unseres enormen Wissens und unserer vielfältigen Möglichkeiten.

Zufriedenheit schaffen – Zukunft vererben

Nachhaltig leben grenzt also die Egoismen ein und gibt allem Priorität, was zu einer dauerhaft gesunden Gemeinschaft führt. Das hilft jedem von uns in vielerlei Beziehung und ist damit nicht einmal frei von Eigennutz. Konsequent gelebt, führt es aber fort von unserer fast ausschließlich materialistischen Welt. Das rein Materielle bleibt zwar Voraussetzung, relativiert sich aber gegenüber den anderen Glücksfaktoren.

Richard Layard zählt als die wichtigsten Glücksfaktoren auf: familiäre und soziale Beziehungen, finanzielle Situation, Arbeit, soziales Umfeld, Gesundheit, persönliche Freiheit und Lebensphilosophie. Nicht so wichtig sind dagegen Alter, Geschlecht, Aussehen, Intelligenz und Bildung.

Zu kurz kommt bei ihm aus meiner Sicht allerdings der Aspekt der Nachhaltigkeit und damit der Langfristigkeit. Wir sind nicht nur für unser eigenes Wohlbefinden, sondern auch für das der Generationen nach uns verantwortlich. Konsequenter und besser als andere diese Verantwortung zu leben trägt nach meiner Überzeugung genauso – wenn nicht noch mehr – zu einem guten Lebensgefühl bei.

Der Text wurde bereits vor 15 Jahren verfasst

Diesen Text habe ich vor 15 Jahren geschrieben. Er ist Teil meines Buches Plateau 3, das den Weg zu einer nachhaltig verantwortlichen Marktwirtschaft gezeigt hat. Damals wäre es noch möglich gewesen, den Klimawandel zu begrenzen, ein 1°-Ziel zu erreichen. Jetzt ist dieser einzig noch akzeptable Anstieg überschritten, die Auswirkungen der aktuellen 1,2° weltweit sichtbar. Wir können nur noch diskutieren, ob es „zu spät“ oder „arg spät“ ist. Aber handeln können wir immer noch – mit einem kräftigen Ruck in jedem von uns – und dem Zwang auf alle Verantwortlichen, sich dem Gebot eines Erhalts der klimatischen Voraussetzungen konsequent zu stellen. Mischt Euch ein, zähmt die Wirtschaft!

Auch mein jüngstes Buch handelt von der Gier und unserer ungezügelten Marktwirtschaft: Zähmt die Wirtschaft.

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