Der Verrat am Markenkern wurde zum Niedergang der Grünen.
Mit dem ersten Nachweis des Waldsterbens durch Luftverschmutzung in den achtziger Jahren fand und organisierte sich auch die Umwelt- und Naturschutzbewegung. Noch aber reichte es nicht zu einer Parteigründung für diese „grünen“ Themen. Und so kombinierte man sich mit der Anti-Atomkraft-Bewegung. Rasch erkannten auch andere Gruppen die Zugkraft von „grün“ – und so kam es zu einem breiten Bündnis einer neuen Partei, die sich als „ökologisch, sozial, gewaltfrei und basisdemokratisch“ sowie als Alternative zu den klassischen Parteien sah: Die Grünen.
Die Mogelpackung
Was nun als „Grün“ etikettiert war – attraktiv für eine umweltbewusste und besorgte Klientel – entpuppte sich als Parteiname mit reichlich weiteren Zutaten. Die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen der Partei trugen die marxistische Handschrift der aus den K-Gruppen zu den Grünen übergetretenen Ökosozialisten. Zu diesen zählten auch „Realos“ wie Winfried Kretschmann (Kommunistischer Bund Westdeutschland) oder Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund). Das Ringen um die inhaltlichen Grundlinien der Grünen wurde lange durch erbitterte Auseinandersetzungen zwischen „Fundis“ und den pragmatisch orientierten „Realos“ bestimmt.
Obwohl also „grün“ draufstand, war es eine primär links orientierte Interessenmischung ohne eindeutige Zentrierung auf einen grünen Kern. Es sind solche toxischen Mischungen, die die Parteien-Demokratie für den Wähler so problematisch macht. Denn ein Großteil wählt nur nach seiner aktuellen Priorität. Heute ist die „Migration“ der Hauptgrund für den Höhenflug der AfD. Aber damals wählte, wer „Umweltschutz“ wählen wollte, die Grünen. Und so schaffte es die neue Partei bereits bei der nächsten Bundestagswahl 1983 in den Bundestag. 1985 stellte sie mit Joschka Fischer in Hessen erstmals auch einen Umweltminister. Aber es war eine Mogelpackung und deshalb blieb ihr der Erfolg – obwohl den Zeittrend auf der eigenen Seite habend – nicht treu.
Die Konferenz von Rio
Denn im Juni 1992 hatten die Vereinten Nationen die Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio einberufen. Ihr berühmtes Protokoll machte erstmals klar, dass ein enormer Zerstörungsprozess der Umwelt eingesetzt hatte und weltweit erhebliche Transformation der eingesetzten Technologien erforderlich seien, die aber nur zu leisten wäre unter starker Einbeziehung der Bevölkerung.
Das war ein klarer Weckruf an die Politik, allem voran die grüne Bewegung. Aber in der ersten deutschlandweiten Bundestagswahl schafften es die Grünen dennoch nicht über die 5%-Klausel, denn diese Wahl hatte andere Prioritäten. Statt nun aber den Markenkern „grün“ weiter zu schärfen, verdünnte man ihn durch die Fusion mit dem im Bundestag vertretenen DDR-Bündnis 90 und kombinierte die beiden Parteinamen. Damit war die Idee eines eindeutigen Markenkerns zur Lösung eines der größten Probleme der Menschheit nicht nur durch eine nichtssagende Namenskombination gestört, sondern weiter verwässert durch verstärkt marktwirtschaftsfeindliche Tendenzen – ungeachtet dessen, dass diese Transformation nur mit einer starken Wirtschaft Akzeptanz finden kann.
Dazu kam ein romantisch undifferenziertes und „grenzenloses“ Menschenbild und das Gefühl der moralischen Überlegenheit. Im Grundsatzprogramm von 2002 – und ähnlich im neuen von 2020 – heißt das: „Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit.“ Das ist ein guter Leitsatz für die Vereinten Nationen, aber nicht für eine Partei der Bundesrepublik Deutschland. Von ihr wird die Mehrheit der Wähler ein Bekenntnis zu Grenzen und den Grundzügen der europäischen Kultur verlangen.
Der Verrat
Moralische Überlegenheit ist per definitionem im Kontrast zur Denke der breiten Mehrheit. Es verträgt sich nicht mit basisdemokratischen Überlegungen. Am Parteitag 2020 wurde deshalb das Bekenntnis, diese in die Demokratie einzuführen, nach einer kraftvollen Rede von Robert Habeck gestrichen und der Volksentscheid auf Bundesebene aus dem Wahlprogramm genommen. Ein Verrat an einem langjährigen Gründungsversprechen, gebrochen trotz des laut Umfragen breit verbreiteten Wunsches der Bevölkerung nach Volksentscheiden als Möglichkeit der Bürger nach situationsbedingt themenbedingter Mitsprache und als Korrektiv und des Protests. Damit wurde nun auch das Gerede des Bündnis90/die Grünen von der Weiterentwicklung der Demokratie und mehr Einbindung der Bürgerschaft erkennbar hohl.
Dennoch trug die Hoffnung der Bürger auf echte grüne Politik die Partei mit über 20 Prozent Wahlerfolg in die Regierung, als Teil der „Ampel“. Und nun wollte man der Welt endlich zeigen, wie Transformation geht: mit Diktat, Besserwisserei und Ideologie statt Fachkompetenz. Aber die Hoffnungen auf weitere Erfolge zerbrachen rasch. Die Maske war gefallen und mit dem Rauswurf aus drei Landtagen ausgerechnet in Ostdeutschland wurde klar, dass der Stil der letzten Jahre nicht ausreichend akzeptiert wird. Und damit wird auch klar, wie eine Reform der Grünen aussehen muss.
Eine Partei für Deutschland
Wir stehen in einer neuen Zeit. Die großen Nationen China und Indien bauen den schon lange bestehenden Zusammenschluss BRIC mit Russland und Brasilien mit weiteren Ländern aus und nutzen die wachsende Skepsis gegen die Führung der USA, um an einer neuen Weltordnung zu feilen. Damit wird sich der sich anbahnende Handelskrieg weiter verschärfen – eine besondere Herausforderung für das von einem offenen Welthandel besonders abhängige, da rohstoffarme Europa. Und auch Teile des Islam werden nicht ruhen, Europa als ein noch nicht bekehrtes Territorium anzugreifen.
Träume von einer weltweit guten, allseits und allzeit kooperierenden Menschheit sind damit realitätsfern. Realistisch für Bündnis 90/Die Grünen wäre also, sich darauf zu besinnen, eine Partei für Deutschland zu werden – und zwar eine nun echt grüne. Das bedeutet zusammengenommen: eine strenge Politik gegen illegale Migration und für konsequente Abschiebungen, eine technologieoffene Förderung der Wirtschaft und einen Sozialstaat, der die Belastungen der nächsten Generationen in Grenzen hält. Über allem kann das Schlagwort der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft stehen, das die Welt kurz vor der Konferenz von Rio im Zusammenhang mit den Beobachtungen über das Waldsterben wieder entdeckte.
Eine Partei für grün
Eine Politik der Nachhaltigkeit ist zwangsläufig mehrheitsfähig, denn sie spricht den Überlebenswillen der Menschheit an. Kein Wort kann deutlicher die Forderung nach Gleichgewichten und natürlicher Anpassungsfähigkeit zum Ausdruck bringen wie dieses. Gerade deshalb braucht es auch eine Partei, die genau dieses Ziel der Nachhaltigkeit zu ihrem Kernthema macht.
Allerdings braucht dieses Politikziel auch Führungsstärke und Kompetenz. Denn zu vieles steht da immer wieder im Konflikt mit kurzfristigen Egoismen und eben den Triebfedern all der Ausbeutung des Globus und der Zerstörung seiner lebenswichtigen Grundelemente Luft und Wasser. Wenn also die neuen Grünen eine Partei in diesem Sinne werden wollen, müssen sie der Versuchung, mit redegewandten Schwachleistern zu punkten, begrenzen und Führungskräfte mit hoher Gemeinwohlorientierung und langfristigem Denken an die Spitze holen. Die Linken und Fundis der Partei haben heute mit der BSW eine Alternative. Dort ist der Markenkern eindeutig: traditionell links und Friedenspartei.
Die Wende zu einem eindeutigen Markenkern, einer deutschen, aber zugleich auch europäisch denkenden Partei, die für eine nachhaltig ökosoziale, eine echt grüne Marktwirtschaft eintritt, würde besonders deutlich betont durch die Aufgabe der nach über 30 Jahren veralteten Namenskombination Bündnis 90/Die Grünen und der Rückkehr zum alten Namen: Die Grünen.