Der 23. Mai ist nun der 76. Jahrestag des in Kraft treten unseres Grundgesetzes. Das gibt Anlass zu einem Rückblick auf den letzten Jahrestag, dem 75.. Damals große Feiern, die ohne Kritik und Nachdenklichkeit vergingen. Sie brachten auch nicht in Erinnerung, dass das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Form eine Überarbeitung nach der Wiedervereinigung gefordert hat, zu beschließen mit einem Volksentscheid. Denn nach allgemeiner Auffassung der Politikwissenschaften setzt eine Verfassung die Zustimmung des gesamten Volkes voraus, eine Voraussetzung, die dem Grundgesetz bekanntlich fehlt.
Ich war letztes Jahr von der Wissenschaftler-Vereinigung Scientists for Future eingeladen worden, am Jahrestag im historischen Museum König in Bonn einen Vortrag hierzu zu halten. Das Museum, berühmt für seine naturkundlichen Sammlungen, war in den Kriegswirren nicht zerstört worden und deshalb der Ort für die feierliche Verkündung des Grundgesetzes. Ich konzentrierte den Vortrag auf das Thema Volksentscheid. Denn mitentscheidende Bürgerbeteiligung ist eine der zentralsten Forderungen des Verfassungsrechtsentwurfs, der von runden Tisch der DDR ausgearbeitet worden war, von der Volkskammer dann aber wegen der beginnenden Wiedervereinigungsgespräche nicht mehr verabschiedet wurde.
Anbei der damalige Vortrag (-> hier klicken für pdf-Version des Vortrags). Er erwähnt auch mein damals erschienenes Buch Abstimmungen. Das wurde nun erweitert zu weiteren aktuellen Fragen unserer Demokratie und Gesetzgebung. Es ist erschienen unter dem Titel Wir brauchen eine Neue Demokratie. Es hinterfragt unsere aktuellen Regierungsform von Koalition und Opposition, während des Grundgesetz auch parteiübergreifendes Regieren erlaubt und zeigt auf Schwächen und Diskussionspunkte des Grundgesetzes, verbunden mit der Forderung, dessen Überarbeitung nun in einem vom Bundespräsidenten einzuberufenden Verfassungskonvent anzugehen.
Peter Grassmann