Fünf Jahre nach „Paris“- das war wirklich kein Anlass zum Feiern. Denn kaum irgendwo wurden die vereinbarten Ziele erreicht, und schon die galten als unzureichend. Diese Übereinkunft von Paris, das war das Ergebnis eines 20-jährigen kläglichen Kampfes um weltweiten Konsens, ein Kampf, der mit der ersten großen Klimakonferenz 1997 in Kyoto begann. Diese Konferenz endete zwar mit einem bekannten Protokoll, war aber letztlich ein katastrophales Desaster – und die Folgekonferenzen bis zur Übereinkunft von Paris auch. Diese 20-jährige Dauer bis zu einer weltweiten Übereinkunft, dass der Klimawandel ein wissenschaftlich bewiesene, unsere Zivilisation gefährdende Gefahr ist und Maßnahmen treffen werden müssen, zeigt das Grundproblem, ist aber dennoch als Fortschritt zu werten – und die beschlossenen Ziele auch. Die allerdings gelten nach allgemeiner Fachauffassung als zu schwach und wurden in diesen ersten fünf Jahren auch kaum irgendwo erreicht.
Dieser riesige Misserfolg hatte seinen Anfang im brutalen Vorgehen einiger Ölkonzerne, allen voran Shell und Exxon, die bereits 1979 interne Wissenschaftlergruppen beauftragt hatten, sich mit den aufkommenden Warnungen vor einem durch Öl- und Kohleverbrennung drohenden Klimawandel zu befassen. Mit großer Deutlichkeit wiesen beide Gruppen auf die Gefahren hin. Aber das Management der Ölkonzerne reagierte mit Geheimhaltung – und tat sich zur Lobbygruppe Global Climate Coalition zusammen. Deren Aufgabe war es, weltweit Zweifel an den immer deutlicher werdenden Wissenschaftsergebnissen zu schüren. Die mit viel Geld ausgestattete Koalition warnte also vor wirtschaftlichem Kollaps durch Energie- Knappheit bei der Reduzierung der Fördermengen, sprach dazu bei allen wesentlichen Regierungen vor und nutzte den journalistischen Brauch, in jeder Diskussion auch Gegenmeinungen zu hören. So wurden selbst zahlreiche Talkshows zur Plattform dieser Verunsicherung und Schlagzeilen bei Bild und Spiegel über die CO2-Lüge taten ihr übriges.
Die weltweite Sorge, dass man handeln müsse, drehte sich in Skepsis, überschattete damit bereits die Konferenz von Kyoto und so wurde sie das erste Opfer dieser Kampagnen. Der volle Umfang dieser Lobbyarbeit wurde erst vor einigen Jahren aus Studien amerikanischer Wissenschaftler bekannt. Ein Beitrag in Spiegel Daily – einige Jahre zurück – unter dem Titel »31 Seiten Schocklektüre« liest sich tatsächlich wie ein Schock. Wikipedia hat der organisierten Klimaleugnung inzwischen einen langen Beitrag gewidmet. Das gerade erschienene Buch Die Klima Schmutz Kampagne erweitert diese schrecklichen Entgleisungen durch den Blick auch auf die Lobbyströmungen in Europa.
Heute laufen vor allem in USA zahlreiche Prozesse gegen Exxon, Shell und andere. Berichte dazu findet man beispielsweise unter dem Hashtag #Exxonknews, aber auch in Deutschland werden die Vorgänge nach der Klage gegen Shell in den Niederlanden allmählich bewusster.
Klimakonferenzen: in der Falle des Lobbyismus
Diese Zersetzung des Handlungswillens ab dem Anfang der 90er-Jahre stand im drastischen Kontrast zur Hoffnung der UN, die immer eine für alle Nationen verbindliche Klimaschutz- Verpflichtung erreichen wollte. Ausgelöst durch diese Kampagnen war die Kyoto Konferenz, wie erwähnt, eine riesige, aber weitgehend ergebnislose Konferenz. Zwar wurde unter der konsensorientierten Führung Japans nach mehrtägiger Verlängerung das Protokoll unterzeichnet. In diesem später gern und häufig zitierten „Kyoto- Protokoll“ verpflichteten sich zwar alle Industriestaaten, nach der Ratifizierung durch eine Mehrheit der Nationen, die klimaschädlichen Emissionen gegenüber 1990 um 5 Prozent (!) zu reduzieren. Die nationalen Zustimmungen dauerten aber, wie vorherzusehen – keiner wollte der erste sein – und so wurde das Protokoll erst 2005 verpflichtend, mit der genannten 5%- Reduktion bis 2012. An den Terminen lässt sich die ganze Farce deutlich erkennen. Die Konferenz beschloss 1997 ihr Protokoll. »Völkerrechtlich verbindlich« trat es acht Jahre später – 2005 – in Kraft und erst dann verpflichteten sich die teilnehmenden Industrieländer die genannte 5-Prozent- Reduktion bis 2012 umzusetzen. Ein Fünfzehnjahreszeitraum für 5 Prozent Reduktion? Ein wirklich lächerliches Ergebnis einer so riesigen Veranstaltung mit immerhin 2.300 Delegierten aus 158 Staaten und fast 10.000 Teilnehmern.
Eine Bereitschaft unserer Zivilisation, sich ernsthaft zu ändern, sieht anders aus. Man merkt auch, ein weltweiter Konsens über die notwendigen Maßnahmen ist nicht möglich wegen zu unterschiedlicher Interessen und der ständigen Sorge vor Wettbewerbsnachteilen. Aus Aktionismus passierte wenig. Selbstverständlich wurden aber jährliche Folge-Konferenzen vereinbart. Und so wurde der Versuch der UN, ein weltweit wirksames Klimaabkommen irgendwann einmal durchzusetzen, zu einem willkommenen Alibi, jahrelangen Aktionismus zu zeigen ohne sonderliche Wirkung und bei den notwendigen Veränderungen mit Hinweis auf die Verhandlungen zu zögern. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppelte sich ungerührt von all diesem Aktionismus in diesen zwei Jahrzehnten.
Die UN wäre besser beraten gewesen, sich einzugestehen, dass ein weltweiter Konsens nicht erreichbar ist. Besser hätte sie wohl stattdessen alle Nationen aufgefordert, von sich aus zu handeln, in einem Wettstreit der Nationen. Der aber zeichnet sich nun endlich ab – mit dem neuesten Beschluss der Europäischen Union.
Die EU Vorgabe – eine neue Situation
Mit dem Beschluss der EU, bis 2030 die Emissionen um 55 % zu reduzieren, ergibt sich eine neue Situation. Denn hier wurde nun der Gesetzgeber tätig. Übrigens nach China der zweite große Wirtschaftsblock, der nun handelt. China hat bereits letztes Jahr im neuen Fünfjahresplan bekräftigt, in den nächsten Jahrzehnten ein „grünes“, ressourcenschonendes China zu schaffen.
Das gibt Hoffnung. Denn die UN kann appellieren, Gesetzgeber dagegen können durchsetzen – vorausgesetzt, dass die Lobbykräfte unter Kontrolle bleiben und die Gesetze so gemacht werden, dass die Umsetzung gelingt – und nicht ständig unterlaufen wird.
Nicht nur Gesetze – auch Selbstorganisation der Wirtschaft ist gefragt
Beides ist nicht trivial. Die Regierungen werden dabei guttun, die Bereitschaft der Wirtschaft zu mehr Kooperation und Selbstregulierung mit einzufordern. Bereits 2012 hatte die EU- Kommission in ihrem Weißbuch zur CSR- Strategie die Selbstorganisation der Wirtschaft bei wichtigen gesellschaftspolitischen Themen vorgeschlagen, allem voran zum Klimaschutz.
Damit war gemeint, dass nicht nur Einzelunternehmen, sondern auch die vielen Wirtschaftsverbände und Wirtschaftskammern sich nicht nur als Lobbyorganisationen betätigen, sondern sich auch als Gestalter einbringen. Vom BDI und vielen anderen Wirtschaftsverbänden wurde das damals abgelehnt. Als Kompromiss blieb nur der verpflichtende Nachhaltigkeitsbericht für große Konzerne.
Aber der Gedanke ist in der Welt und der neue Beschluss der EU der Zeitpunkt, ihn wiederzubeleben. Nächstes Jahr soll die CSR-Strategie der EU überarbeitet werden und damit kommen auch die Themen Selbstverpflichtung und Selbstorganisation wieder in Diskussion. Zahlreiche Firmen haben sich bereits auf ehrgeizige Emissionsreduktion verpflichtet. Selbstverpflichtung wird also hoffähig, zumindest bei einigen Vorreitern wie SAP, Allianz oder den großen Automobilfirmen. Aber eine Kulturänderung, eine gemeinsame Zielsetzung ganzer Wirtschaftssektoren kann daraus nur werden, wenn auch die Breite eines Wirtschaftssektors erfasst wird. Das fordert die Verbände heraus, die zugehörigen Maßnahmen und Ziele zu koordinieren und sich dem Klimaschutz zu verpflichten.
Jetzt sind die Unternehmer gefragt
Kammern und Verbände werden durch das Votum ihrer Mitglieder – den Unternehmen – gesteuert. Es wird also vor allem an mutigen Mitgliedern liegen und deren Firmen, die diese Maßnahmenpakete einfordern – als Klimakodex ihres Wirtschaftssektors, verpflichtend für alle. Flächendeckend zu verpflichtenden Klima-Codizes für alle Wirtschaftssektoren zu kommen, wäre der entscheidende Hebel zu einer generationengerechten, nachhaltigen Marktwirtschaft – und Beispiel auch zur Lösung vieler anderer großer Probleme, die eine zu freie, zu wenig an Moral und Ehrbarkeit orientierte Marktwirtschaft geschaffen hat.
P. Grassmann