Rettet die Bienen…

Bienen retten… und mehr. Das ist das Ziel eines Volksentscheids in Bayern, der der ständig zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft Einhalt gebieten möchte. Gestützt auf starke Lobbyverbände, wird noch immer eine Landwirtschaft praktiziert, die durch ihre Pestizide mehr als 75 % des Insektenbestandes vernichtet hat und die mit „Unkraut“-Vernichtern wie Glyphosat jedes natürliche Leben im Boden erstickt, außer das von riesigen Mais-, Raps- und Getreidemonokulturen natürlich. Der Initiative von ÖdP, den Grünen und dem Bund Naturschutz geht es deshalb um ökologische Bodenbewirtschaftung, weniger Pestizide, Blühwiesen, Biotopverbunde und bessere Ausbildung der Landwirte — alles Maßnahmen, die heute bei einer an Nachhaltigkeit orientierten Regierung Selbstverständlichkeit sein sollten. Aber sie sind es nicht, weder in Bayern noch im restlichen Deutschland oder gar in Europa.

Natürlich wäre es ein Thema für die gesamte Bundesrepublik, ja für Europa. Aber auf dieser Ebene hat das Volk nichts zu sagen. Umso mutiger ist es, dass wenigstens in Bayern ein Volksentscheid in Gang gebracht wurde – denn der Freistaat ist eines der wenigen Bundesländer, bei dem Volkes Stimme sich gegen die Kraft von Lobby und naturzerstörender Politik zur Wehr setzen kann.

Schwieriger Weg zum Volksentscheid
Es ist ein mehrstufiger Prozess, mit hohen Hürden. Denn zunächst muss ein Initiativkreis ein „Gesetz“ schreiben. Das heißt, es müssen nicht nur die wichtigsten Forderungen als Eckpunkte festgelegt, sondern ein komplettes Gesetz formuliert werden! Das ist eine massive Erschwernis, denn ein Gesetz, soll es handwerklich gut sein, muss in vielen Details durchdacht werde. Das setzt normalerweise die Zusammenarbeit und Fachkenntnis mehrerer Ministerien voraus und geht eigentlich über die Möglichkeiten eines Initiativkreises hinaus. An den zwangsläufigen Lücken werden dann genau die Ministerien, die Regierung und vor allem der Bauernverband als oberster Lobbyverband der Agrarindustrie herumkritisieren und sich an juristischen Spitzfindigkeiten abarbeiten, um von den Kernfragen abzulenken.

Große Zustimmung, aber hohe Hürden
Immerhin, die Initiatoren haben einen beachtlichen Gesetzentwurf geschaffen, der bereits die erste Hürde genommen hat. Es mussten mindestens 25.000 Unterschriften eingereicht werden. Tatsächlich kamen fast 100.000 Unterschriften zusammen, die in Straßenaktionen, bei den Mitgliedern der Umweltverbände und bei vielen nachdenklichen Bürgern gesammelt wurden, ohne jede behördliche Unterstützung. Nun befinden wir uns in der Phase des Volksbegehrens. Erst wenn auch diese Hürde genommen ist, sind Regierung und Landtag verpflichtet, sich mit dem Gesetzentwurf zu befassen. Aber die Hürde ist hoch. 10 % der Wahlberechtigten müssen innerhalb von nur zwei Wochen in den Rathäusern und Bezirksämtern ihr Votum abgeben. Das ist etwas anderes als eine Million Unterschriften zu sammeln. Denn die Unterstützer müssen sich selbst auf den Weg machen zu einer Heimatbehörde, und das während der Öffnungszeiten und mit ungewisser Wartezeit. Man merkt: Willkommen ist des Volkes Stimme nicht.

Aber wenn es den Initiatoren und den unterstützenden Parteien gelingt, trotz dieser Schikanen eine Million (!) Wählerstimmen zu mobilisieren, muss sich der Landtag mit dem Gesetz befassen und einen offiziellen Volksentscheid vorbereiten, sofern er den Gesetzentwurf nicht unverändert beschließt, was wegen der enormen Stärke des bayerischen Bauernverbandes und seiner Verflechtung mit den Regierungsparteien CSU und Freie Wähler äußerst unwahrscheinlich ist. Für den Fall eines Volksentscheids sieht die Bayerische Verfassung auch die Möglichkeit vor, dass der Landtag einen eigenen alternativen Gesetzentwurf erarbeitet, der dann ebenfalls dem Volk zur Entscheidung vorgelegt wird.

Regierung kann Alternativentwurf vorlegen
Für die Regierung ist nun die Versuchung groß, gemeinsam mit den üblichen Lobbyverbänden, die schon immer die Agrarpolitik dominiert haben, einen cleveren Alternativentwurf vorzulegen, der scheinbar auf die Anliegen der Bürger eingeht und für ausreichend Verwirrung sorgt, um die ursprüngliche Initiative ins Leere laufen zu lassen. Eine alternative „Mogelpackung“ hat leider gute Chancen, weil komplizierte Gesetzestexte und nicht klar definierte Eckpunkte zur Abstimmung stehen. Zudem fehlt im Bayerischen Rechtsrahmen für den Volksentscheid eine neutrale Wählerinformation über die wesentlichen Inhalte der Gesetzentwürfe.

Bei einem rein taktischen Alternativentwurf blieben aber die Probleme, die zum Volksbegehren geführt und eine Million Bürger in die Rathäuser getrieben haben, weitgehend ungelöst.

Volksinitiative in Gesetzentwurf einbeziehen
Wenn man den zugrundeliegenden Konflikt befrieden möchte, könnte man bei der Erarbeitung des Alternativentwurfs auch die Initiatoren des Volksbegehrens einbeziehen. Im Landtag könnte fraktionsübergreifend ein Gesetzestext erarbeitet werden, der sowohl die Fehler der bisherigen Agrarpolitik als auch die unvermeidbaren Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs der Initiatoren korrigiert. Es bleibt abzuwarten, ob alle Beteiligten, die Chance, welche die Bürger durch ihren Gang zu den Rathäusern erzwungen haben, für eine echte Neuausrichtung nutzen werden. Diese Neuausrichtung wäre aber dringend notwendig, denn in Bayern ist auch der Landwirt eine bedrohte Spezies. Die Zahl der Betriebe sinkt seit Jahrzehnten unaufhaltsam. Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft sagt eine weitere Halbierung bis 2030 voraus. Es geht also darum Bienen und Bauern zu retten.

Volksbegehren und Volksentscheid sind kein einfacher Weg, aber trotzdem eine starke Möglichkeit, wie sich Volkes Wille gegen Lobbyismus und davon abhängige Regierungsarbeit durchsetzen kann.

Mitbestimmung ernst nehmen
Diese Möglichkeit ist natürlich nicht nur gegen landwirtschaftliche Monokulturen und Naturzerstörung nutzbar, sondern generell gegen Exzesse einer Wirtschaft, die nicht bereit ist, Klimaschutz, Fairness und Volksgesundheit ernst zu nehmen. Und weil das Instrument breit einsetzbar ist, ist das Beispiel dieses laufenden Volksentscheids „Rettet die Bienen… und die Artenvielfalt“ so wichtig. Letzter Einschreibetag ist der 13. Februar. Nutzt eure Chance als Bürger, sofern ihr in Bayern lebt oder beobachtet das Beispiel. Denn Bayern ist nicht das einzige Bundesland, bei dem Volksentscheide möglich sind.

In meinem neuen Buch „Zähmt die Wirtschaft“ werden die Methoden, mit denen Wirtschaft und Industrie heute die Regierungen beeinflussen und wichtige Maßnahmen blockieren, beschrieben und gezeigt, was für gute Volksentscheide wichtig ist. Im Vordergrund steht eine sachliche Information des Wählers, die von einer neutralen Moderation begleitet werden sollte. Das für mich vorbildliche Beispiel war der Volksentscheid über den Umbau des Kopfbahnhofs Stuttgart, genannt Stuttgart 21, bei dem Heiner Geißler eine Moderation und Schlichtung übertragen wurde mit dem Ziel eines Volksentscheids. Zwar waren die baulichen Vorbereitungen und die Verträge zwischen Land und Bundesbahn schon zu weit fortgeschritten, um noch einen ernsthaften Volksentscheid durchzuführen, aber es war ein Beispiel, bei dem Falschinformationen klargestellt und Transparenz geschaffen wurde zu den Meinungen der verschiedenen NGOs und aktiven Gruppen. Zusätzlich geht es im Buch auch um Wege zu mehr Fachkenntnis, mehr Kompetenz in den Parlamenten, um von deren Seite der Angstmache der Wirtschaft und dem Lobbydruck besser begegnen zu können.

Also, Volksentscheide sind ein wichtiges Instrument, um die immer stärker ausufernde Gier der Wirtschaft einzubremsen. Aber, wie in meinem Buch „Zähmt die Wirtschaft“ beschrieben, sollten Volksentscheide begleitet werden von einer neutralen Gruppe aus informierten Bürgern und der Wissenschaft, die Kritikpunkte kommentiert und das Pro und Contra ausführliche darstellt. Das Negativbeispiel, wo dies besonders vermisst wurde war das widersprüchliche Informationsangebot beim Entscheid über das Aus eines Kohlekraftwerks in München, bei dem sich deshalb nur gut 20 % der Münchner Bürger beteiligten, beschrieben in einem früheren Beitrag von mir in der Huffington Post.

Noch läuft in Bayern die Volksinitiative „Rettet die Bienen“ in den Rathäusern. Es ist ein entscheidender Vorgang für den Erhalt unserer Natur und es ist ein entscheidendes Beispiel, wie engagierten Bürgern die Möglichkeit gegeben werden kann, über ihr Wahlkreuzchen alle vier Jahre hinaus auch bei wichtigen Sachthemen mitentscheiden zu können.

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